Willkommen beim Projekt „Luftlande Denkmal KRETA“

Artikel zum und über das Mahnmal

Antwort der Generalsekretärin des VdK, Fr. Schily, auf die Bitte zur Zusammenarbeit

Der VdK lehnt Zusammenarbeit ab und definiert das Fallschirmjäger-Mahnmal als „Status eines verbrecherischen Regimes“

Hier finden Sie den Brief als PDF zum Download.

Artikel zum und über das Mahnmal

Antwort der Generalsekretärin des VdK, Fr. Schily, auf die Bitte zur Zusammenarbeit

Der VdK lehnt Zusammenarbeit ab und definiert das Fallschirmjäger-Mahnmal als „Status eines verbrecherischen Regimes“

Hier finden Sie den Brief als PDF zum Download.

Brief des Vereins zum Erhalt eines Fallschirmjägermahnmals auf Kreta an die Generalsekretärin des VdK, Fr. Schily

Wir würden uns sehr über eine Zusammenarbeit und Unterstützung auch mit dem VdK freuen.

Bad Bellingen, den 05.12.2019

Sehr geehrte Frau Schily,

mit großem Interesse habe ich den Artikel über Ihre Kreta Reise in der FAZ vom 24.11.2019 gelesen. Sicherlich ist es in unserer postheroischen Zeit nach dem 2. Weltkrieg nicht trivial, den politischen und soldatischen Zeitgeist vor, während und unmittelbar nach dem letzten Krieg zu verstehen und in unsere Gedankenwelt des 21. Jahrhunderts einzuordnen.
Politiker sprachen zu allen Zeiten von Frieden als „Normalzustand“ und ließen dann doch, interessengetrieben, Situationen soweit eskalieren, dass dieser Normalzustand in einem Krieg endete. Das Exekutivinstrument, dem sie sich bedienten, waren die Streitkräfte, sprich, die Soldaten. Nicht selten entschied die Motivation derer über Sieg oder Niederlage, wobei die Motivatoren selbst vielfältig sein konnten. Als besonders starke Motivatoren erwiesen sich regelmäßig zeitlose Werte wie Heimat , Familie, Kultur, Brauchtum und Sitten; all das Gemeinsame, das man -zumindest landläufig- im Begriff Vaterland zusammenfaßt. Diese Kausalkette zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte Europas seit der Römerzeit und ist keineswegs typisch für die Zeit des Nationalsozialismus.

Zu allen Zeiten versuchten Menschen, soweit es die jeweilige Situation zuließ, die Gefallenen zu beerdigen und den Mutigen, zumindest denen, die im Nachhinein von den Überlebenden oder den Siegern dazu auserkoren wurden, ein Denkmal als Ehrenmal zu setzen. Auch all dies ist keine Erfindung des Nationalsozialismus. Erst in neuerer Zeit unterstrich man das menschliche Grundbedürfnis nach Frieden und Freiheit dadurch, dass man diesen Erinnerungsstätten einen mahnenden Charakter zuschrieb und damit direkt oder indirekt zur Völkerverständigung, als Voraussetzung eines jeden Friedens, aufrief.

Auf dem Fallschirmjäger-Mahnmal auf Kreta ist genau das geschehen. Die Inschrift der Erbauer des Mahnmals unter Major Ringel hatten genau dies im Sinn (vgl. Schriftverkehr mit übergeordneten Dienststellen). Die Schlacht um Kreta, bei der innerhalb von 2 Tagen die Hälfte der deutschen Fallschirmtruppe „vernichtet“ wurde, hinterließ bei allen Beteiligten, auch bei der militärischen und politischen Führung, einen nachhaltigen Eindruck. Zwei Attribute sind dabei unbestritten: Viele Planungsfehler und überragende soldatische Leistungen im Gefecht. Und genau diesem, eingebunden selbstverständlich in den (damaligen) Zeitgeist, entspricht die Inschrift auf der Tafel des Mahnmals. Explizit sind die Werte, für die die Soldaten kämpften (= Vaterland, s.o.), die Verpflichtung (=Eid) und die Mahnung als Sehnsucht der Menschen nach Frieden ausgedrückt. Auch der Begriff Großdeutschland stammt, wie Sie sicherlich wissen, nicht von den Nationalsozialisten, sondern wurde in der Zeit davor geprägt, als von einer Klein- und Großdeutschen Reichslösung (=mit oder ohne Österreich) die Rede war. Auch Friedrich Ebert hat diese Begrifflichkeit mit großer Selbstverständlichkeit wie viele andere seiner Generation benutzt (Anm.: im 3. Reich war er Begriff „Großgermanien“ eher en vogue). Viele Wehrmachtsoffiziere (vor allem die mit Reichswehrhintergrund) gaben jedoch in ihrer Ablehnungshaltung dem Begriff Großdeutschland den Vorzug. Ich kann somit an der Inschrift des Mahnmals nichts Verwerfliches finden, auch wenn der Text heute sicherlich anders, nämlich entsprechend des heutigen Zeitgeistes formuliert würde.

Auch bin ich der festen Überzeugung, dass sich Taten der Vergangenheit faktisch nicht ändern oder ungeschehen machen lassen, wenn man deren Zeugnisse entfernt oder verändert. Für uns als Nachfolgegeneration(en) gilt, diese zur Kenntnis zu nehmen, unverfälscht und unkommentiert wie sie nun mal waren, daraus Schlüsse zu ziehen und zu lernen, um eine friedliche und freie Zukunft gestalten zu können. Ich bin sicher, dass die Besucher des Mahnmals (und des Friedhofes) mündig und fähig genug sind, dies zu tun, auch ohne dass die Geschehnisse der Vergangenheit durch Kommentierung in ein Licht gerückt werden, das derzeit gerade als politisch korrekt gilt. Nach meiner Meinung verbietet sich sogar vor dem Anblick eines solchen Gräberfeldes jede politisch motivierte Kommentierung. Ein solcher Eingriff in die damalige Gedankenwelt wäre ein Mißbrauch und eine Respektlosigkeit gegenüber unseren toten Kameraden, die dort liegen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an Manfred Rommel der nach den RAF-Geschehnissen am 18.10.1977 die Forderung, die Asche der Toten unbekannt auszustreuen, mit den Worten kommentierte „Nein, das ordne ich nicht an! Mit dem Tod endet alle Schuld!“

Wenn man die Wehrmacht als Organisation generell brandmarkt, vergisst man, dass diese nur handlungsfähig war durch die Menschen (=Soldaten) die ihr angehörten. Dazu zählen auch diejenigen, die das Glück hatten, den Krieg zu überleben. Aber genau diese waren es, die nach 1945 unsere Demokratie und unseren Staat aufgebaut haben, der uns seit nunmehr über 80 Jahre in Frieden leben lässt. Dazu gehören Angehörige in fast jeder deutschen Familie, z. B. auch der Vater des VdK Präsidenten Schneiderhahn. Ich jedenfalls verwahre mich dagegen, dass mein Onkel, der 1941 in Russland gefallen ist und dessen Briefe an die Familie ich noch besitze, nur weil er Wehrmachtssoldat war, mit Schmutz beworfen wird. Vielmehr gilt es, Kriegsverbrechen, die von ALLEN am Krieg Beteiligten begangen wurden, beim Namen zu nennen und zu verurteilen. Dabei ist kein Unterscheid zu machen zwischen Siegern und Besiegten oder zwischen Soldaten und Partisanen. Die Haager Landkriegsordnung und die Genfer Konvention, kurz das Völkerrecht, spricht hier eine klare Sprache. Auf der Basis dieser grundsätzlichen Regelungen sind auch die Repressionsbefehle (Student, Ringel), die Ermordung von verwundeten Soldaten durch Irreguläre oder das Erstechen des Fahrers von Gen. Kneip oder die Prozessfairness gegenüber Gen. Bräuer (Gerichtsakten sind verfügbar) zu beurteilen. Kein Unrecht soll ungesühnt, und wenn dies nicht mehr möglich ist, unverurteilt bleiben. Wenn wir in unserer Forderung nach Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit glaubhaft bleiben wollen, müssen auch Verletzungen dieser in Form unfairer Gerichtsprozesse und Todesurteilen auf den Prüfstand.

Ohne uns von einer Partei oder politischen Richtung vereinnahmen zu lassen, haben wir Fallschirmjäger bereits in den 60er Jahren begonnen, mit den ehemaligen Gegnern Kontakt aufzunehmen und die Geschehnisse des Krieges aufzuarbeiten. Ich gebe zu, dass dies zuweilen unter Soldaten, gerade unter Elitesoldaten, einfacher ist als unter Politikern. Uns Fallschirmjäger eint weltweit ein Ehrenkodex und ein Korpsgeist. Unter diesem Gesichtspunkt war es eine große Geste, als unser Ehrenvorsitzender, Monsignore Völck, den Sie ja kennen, Ehrenmitglied der neuseeländischen Fallschirmjäger wurde. An seinem 99. Geburtstag war auch die Präsidentin der amerikanischen Veteranenverbände in Europa anwesend, einer meiner langjährigen Mitarbeiter kam aus der englischen Armee, unser zweiter Ehrenvorsitzender war Militärattache in Israel. Wie tief dieser Respekt voreinander geht, wurde deutlich, als uns die neuseeländische Delegation ihren Kranz übergab zur Niederlegung an ihrem Mahnmal. Die Beispiele des gegenseitigen Wohlwollens und der persönlichen Freundschaften in der heutigen Zeit ließen sich fast beliebig fortsetzten. Wir Fallschirmjäger reden nicht über Völkerverständigung, wir leben sie! Tagtäglich! Dabei habe ich noch keinen getroffen, der für die Aufgabe des Fallschirmjäger Mahnmals auf Kreta votiert hätte. Vielmehr können wir Spenden für dessen Erhalt verzeichnen von ausländischen Veteranen und Aktiven bis nach Japan.

Es ist dabei allgemeiner Konsens, dass der Beschluss des Gemeinderates von Nea Kydonia aus dem Jahr 2001 endlich umgesetzt werden muss, das Mahnmal auf oder in die Nähe des deutschen Soldatenfriedhofes umzusiedeln. Soweit die Finanzierung sich dafür sicherstellen läßt, würden wir auch gerne eine kleine faktenbasierte Dokumentation, frei von zeitgeistigen Interpretationen, integrieren, in der sich alle damals an den Kämpfen beteiligten Nationen wiederfinden. Wir sind der Überzeugung, dass das Mahnmal nur ohne politische Vereinnahmung seine Botschaft für die Lebenden, öffentliches Gedenken an die Toten von Krieg und Gewaltherrschaft zu gestalten, entfalten kann.

Darüber hinaus höre ich von vielen Kameraden, nicht zuletzt beim Tag der Fallschirmjäger in Altenstadt, dass das Mahnmal, weil generationenübergreifend identifikationsstiftend, auch durchaus geeignet ist, das würdige Andenken an diejenigen zu unterstützen, die im heutigen Deutschland in Auslandseinsätzen das Leben verloren haben.

Auch seitens des Klosters Gonia, das in einem humanitären Akt die Gebeine unserer Kameraden aufbewahrt hat bis der Friedhof fertiggestellt war und mit dessen Abt wir bei unserem letzten Besuch gesprochen haben, steht diesem Vorhaben wohlwollend positiv gegenüber.

Wir würden uns sehr über eine Zusammenarbeit und Unterstützung auch mit dem VdK freuen.
Mit freundlichen Grüßen

Brief des Vereins zum Erhalt eines Fallschirmjägermahnmals auf Kreta an die Generalsekretärin des VdK, Fr. Schily

Wir würden uns sehr über eine Zusammenarbeit und Unterstützung auch mit dem VdK freuen.

Bad Bellingen, den 05.12.2019

Sehr geehrte Frau Schily,

mit großem Interesse habe ich den Artikel über Ihre Kreta Reise in der FAZ vom 24.11.2019 gelesen. Sicherlich ist es in unserer postheroischen Zeit nach dem 2. Weltkrieg nicht trivial, den politischen und soldatischen Zeitgeist vor, während und unmittelbar nach dem letzten Krieg zu verstehen und in unsere Gedankenwelt des 21. Jahrhunderts einzuordnen.
Politiker sprachen zu allen Zeiten von Frieden als „Normalzustand“ und ließen dann doch, interessengetrieben, Situationen soweit eskalieren, dass dieser Normalzustand in einem Krieg endete. Das Exekutivinstrument, dem sie sich bedienten, waren die Streitkräfte, sprich, die Soldaten. Nicht selten entschied die Motivation derer über Sieg oder Niederlage, wobei die Motivatoren selbst vielfältig sein konnten. Als besonders starke Motivatoren erwiesen sich regelmäßig zeitlose Werte wie Heimat , Familie, Kultur, Brauchtum und Sitten; all das Gemeinsame, das man -zumindest landläufig- im Begriff Vaterland zusammenfaßt. Diese Kausalkette zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte Europas seit der Römerzeit und ist keineswegs typisch für die Zeit des Nationalsozialismus.

Zu allen Zeiten versuchten Menschen, soweit es die jeweilige Situation zuließ, die Gefallenen zu beerdigen und den Mutigen, zumindest denen, die im Nachhinein von den Überlebenden oder den Siegern dazu auserkoren wurden, ein Denkmal als Ehrenmal zu setzen. Auch all dies ist keine Erfindung des Nationalsozialismus. Erst in neuerer Zeit unterstrich man das menschliche Grundbedürfnis nach Frieden und Freiheit dadurch, dass man diesen Erinnerungsstätten einen mahnenden Charakter zuschrieb und damit direkt oder indirekt zur Völkerverständigung, als Voraussetzung eines jeden Friedens, aufrief.

Auf dem Fallschirmjäger-Mahnmal auf Kreta ist genau das geschehen. Die Inschrift der Erbauer des Mahnmals unter Major Ringel hatten genau dies im Sinn (vgl. Schriftverkehr mit übergeordneten Dienststellen). Die Schlacht um Kreta, bei der innerhalb von 2 Tagen die Hälfte der deutschen Fallschirmtruppe „vernichtet“ wurde, hinterließ bei allen Beteiligten, auch bei der militärischen und politischen Führung, einen nachhaltigen Eindruck. Zwei Attribute sind dabei unbestritten: Viele Planungsfehler und überragende soldatische Leistungen im Gefecht. Und genau diesem, eingebunden selbstverständlich in den (damaligen) Zeitgeist, entspricht die Inschrift auf der Tafel des Mahnmals. Explizit sind die Werte, für die die Soldaten kämpften (= Vaterland, s.o.), die Verpflichtung (=Eid) und die Mahnung als Sehnsucht der Menschen nach Frieden ausgedrückt. Auch der Begriff Großdeutschland stammt, wie Sie sicherlich wissen, nicht von den Nationalsozialisten, sondern wurde in der Zeit davor geprägt, als von einer Klein- und Großdeutschen Reichslösung (=mit oder ohne Österreich) die Rede war. Auch Friedrich Ebert hat diese Begrifflichkeit mit großer Selbstverständlichkeit wie viele andere seiner Generation benutzt (Anm.: im 3. Reich war er Begriff „Großgermanien“ eher en vogue). Viele Wehrmachtsoffiziere (vor allem die mit Reichswehrhintergrund) gaben jedoch in ihrer Ablehnungshaltung dem Begriff Großdeutschland den Vorzug. Ich kann somit an der Inschrift des Mahnmals nichts Verwerfliches finden, auch wenn der Text heute sicherlich anders, nämlich entsprechend des heutigen Zeitgeistes formuliert würde.

Auch bin ich der festen Überzeugung, dass sich Taten der Vergangenheit faktisch nicht ändern oder ungeschehen machen lassen, wenn man deren Zeugnisse entfernt oder verändert. Für uns als Nachfolgegeneration(en) gilt, diese zur Kenntnis zu nehmen, unverfälscht und unkommentiert wie sie nun mal waren, daraus Schlüsse zu ziehen und zu lernen, um eine friedliche und freie Zukunft gestalten zu können. Ich bin sicher, dass die Besucher des Mahnmals (und des Friedhofes) mündig und fähig genug sind, dies zu tun, auch ohne dass die Geschehnisse der Vergangenheit durch Kommentierung in ein Licht gerückt werden, das derzeit gerade als politisch korrekt gilt. Nach meiner Meinung verbietet sich sogar vor dem Anblick eines solchen Gräberfeldes jede politisch motivierte Kommentierung. Ein solcher Eingriff in die damalige Gedankenwelt wäre ein Mißbrauch und eine Respektlosigkeit gegenüber unseren toten Kameraden, die dort liegen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an Manfred Rommel der nach den RAF-Geschehnissen am 18.10.1977 die Forderung, die Asche der Toten unbekannt auszustreuen, mit den Worten kommentierte „Nein, das ordne ich nicht an! Mit dem Tod endet alle Schuld!“

Wenn man die Wehrmacht als Organisation generell brandmarkt, vergisst man, dass diese nur handlungsfähig war durch die Menschen (=Soldaten) die ihr angehörten. Dazu zählen auch diejenigen, die das Glück hatten, den Krieg zu überleben. Aber genau diese waren es, die nach 1945 unsere Demokratie und unseren Staat aufgebaut haben, der uns seit nunmehr über 80 Jahre in Frieden leben lässt. Dazu gehören Angehörige in fast jeder deutschen Familie, z. B. auch der Vater des VdK Präsidenten Schneiderhahn. Ich jedenfalls verwahre mich dagegen, dass mein Onkel, der 1941 in Russland gefallen ist und dessen Briefe an die Familie ich noch besitze, nur weil er Wehrmachtssoldat war, mit Schmutz beworfen wird. Vielmehr gilt es, Kriegsverbrechen, die von ALLEN am Krieg Beteiligten begangen wurden, beim Namen zu nennen und zu verurteilen. Dabei ist kein Unterscheid zu machen zwischen Siegern und Besiegten oder zwischen Soldaten und Partisanen. Die Haager Landkriegsordnung und die Genfer Konvention, kurz das Völkerrecht, spricht hier eine klare Sprache. Auf der Basis dieser grundsätzlichen Regelungen sind auch die Repressionsbefehle (Student, Ringel), die Ermordung von verwundeten Soldaten durch Irreguläre oder das Erstechen des Fahrers von Gen. Kneip oder die Prozessfairness gegenüber Gen. Bräuer (Gerichtsakten sind verfügbar) zu beurteilen. Kein Unrecht soll ungesühnt, und wenn dies nicht mehr möglich ist, unverurteilt bleiben. Wenn wir in unserer Forderung nach Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit glaubhaft bleiben wollen, müssen auch Verletzungen dieser in Form unfairer Gerichtsprozesse und Todesurteilen auf den Prüfstand.

Ohne uns von einer Partei oder politischen Richtung vereinnahmen zu lassen, haben wir Fallschirmjäger bereits in den 60er Jahren begonnen, mit den ehemaligen Gegnern Kontakt aufzunehmen und die Geschehnisse des Krieges aufzuarbeiten. Ich gebe zu, dass dies zuweilen unter Soldaten, gerade unter Elitesoldaten, einfacher ist als unter Politikern. Uns Fallschirmjäger eint weltweit ein Ehrenkodex und ein Korpsgeist. Unter diesem Gesichtspunkt war es eine große Geste, als unser Ehrenvorsitzender, Monsignore Völck, den Sie ja kennen, Ehrenmitglied der neuseeländischen Fallschirmjäger wurde. An seinem 99. Geburtstag war auch die Präsidentin der amerikanischen Veteranenverbände in Europa anwesend, einer meiner langjährigen Mitarbeiter kam aus der englischen Armee, unser zweiter Ehrenvorsitzender war Militärattache in Israel. Wie tief dieser Respekt voreinander geht, wurde deutlich, als uns die neuseeländische Delegation ihren Kranz übergab zur Niederlegung an ihrem Mahnmal. Die Beispiele des gegenseitigen Wohlwollens und der persönlichen Freundschaften in der heutigen Zeit ließen sich fast beliebig fortsetzten. Wir Fallschirmjäger reden nicht über Völkerverständigung, wir leben sie! Tagtäglich! Dabei habe ich noch keinen getroffen, der für die Aufgabe des Fallschirmjäger Mahnmals auf Kreta votiert hätte. Vielmehr können wir Spenden für dessen Erhalt verzeichnen von ausländischen Veteranen und Aktiven bis nach Japan.

Es ist dabei allgemeiner Konsens, dass der Beschluss des Gemeinderates von Nea Kydonia aus dem Jahr 2001 endlich umgesetzt werden muss, das Mahnmal auf oder in die Nähe des deutschen Soldatenfriedhofes umzusiedeln. Soweit die Finanzierung sich dafür sicherstellen läßt, würden wir auch gerne eine kleine faktenbasierte Dokumentation, frei von zeitgeistigen Interpretationen, integrieren, in der sich alle damals an den Kämpfen beteiligten Nationen wiederfinden. Wir sind der Überzeugung, dass das Mahnmal nur ohne politische Vereinnahmung seine Botschaft für die Lebenden, öffentliches Gedenken an die Toten von Krieg und Gewaltherrschaft zu gestalten, entfalten kann.

Darüber hinaus höre ich von vielen Kameraden, nicht zuletzt beim Tag der Fallschirmjäger in Altenstadt, dass das Mahnmal, weil generationenübergreifend identifikationsstiftend, auch durchaus geeignet ist, das würdige Andenken an diejenigen zu unterstützen, die im heutigen Deutschland in Auslandseinsätzen das Leben verloren haben.

Auch seitens des Klosters Gonia, das in einem humanitären Akt die Gebeine unserer Kameraden aufbewahrt hat bis der Friedhof fertiggestellt war und mit dessen Abt wir bei unserem letzten Besuch gesprochen haben, steht diesem Vorhaben wohlwollend positiv gegenüber.

Wir würden uns sehr über eine Zusammenarbeit und Unterstützung auch mit dem VdK freuen.
Mit freundlichen Grüßen

Die Gräber der anderen

Auf Soldatenfriedhöfen in Griechenland liegen Tausende Deutsche. Sie lassen den Lebenden keine Ruhe. Von Michael Martens

Artikel der FAZ (Politik) vom 24. November 2019

Fiel der neunzehnjährige Gefreite Herbert Lais für sein Vaterland, als er an einem Julitag des Jahres 1943 auf Kreta ums Leben kam? Gab der Obergefreite Wilhelm Brockmann sein Leben für Großdeutschland, als er im Mai 1941 erschossen wurde, fünf Tage vor seinem zwanzigsten Geburtstag? Und der 17 Jahre junge Hans-Joachim Graf von Blücher, der nur mit einer Sondergenehmigung seiner Mutter bei den Fallschirmjägern aufgenommen worden war, bevor er auf Kreta nur Stunden nach Beginn der deutschen Invasion ebenso wie zwei seiner Brüder tödlich verwundet wurde – starb er einen Heldentod?

Am Eingang zur deutschen Kriegsgräberstätte in Maleme unweit von Chania, dem Hauptort der größten Insel Griechenlands, kann dieser Eindruck zumindest entstehen. Dort belehrt eine Gedenktafel die Besucher: „Auf dieser Gräberstätte ruhen 4465 deutsche Gefallene aus den Kriegsjahren 1941–1945. Von ihnen starben 3352 in der Schlacht um Kreta vom 20. Mai bis zum 1. Juni 1941 als Soldaten der Fallschirmtruppe, der Gebirgstruppe, der Kriegsmarine und der Luftwaffe. Sie gaben ihr Leben für ihr Vaterland.“ Die Tafel wurde 1984 angebracht, zehn Jahre nach der Eröffnung des Friedhofs. Nach vielen Beschwerden sah sich der „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge“, der alle im Ausland gelegenen Ruhestätten deutscher Kriegstoter betreut, fünf Jahre später zu einer Korrektur veranlasst. Ein Satz wurde hinzugefügt: „Ihr Tod soll uns immer Verpflichtung sein, den Frieden zwischen den Völkern zu bewahren.“ Heute also lautet die Botschaft, in den Zuschreibungen Überlebender jedenfalls: Erst starben viereinhalbtausend Männer für Deutschland, seither mahnen sie kollektiv zum Frieden.

Einige Kilometer vom Friedhof entfernt geht es noch martialischer zu: Auf einem mehrere Meter hohen Denkmal, das noch von der Wehrmacht errichtet und von den kretischen Behörden nie geschleift wurde, heißt es: „Euch Toten gehört der Dank, die ihr fern der Heimat getreu eurem Fahneneid das Leben gabet unserem Großdeutschland.“ Und in der Todesanzeige der verwitweten Gräfin Blücher von 1941 heißt es, ihre geliebten Söhne seien den Heldentod auf Kreta gestorben. Das war der Geist der Zeit.

Als Daniela Schily die Inschrift auf der Tafel des Friedhofs von Maleme liest, schüttelt sie den Kopf: „Diese Aussage spiegelt den Geist jener Zeit, aber sie war und ist vollkommen falsch. Wie kann man als Deutscher auf Kreta für sein Vaterland sterben?“ Was Schily von der Gedenktafel hält, ist schon deshalb nicht unwesentlich, weil sie seit vier Jahren Generalsekretärin des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge ist, als erste Frau in der hundertjährigen Geschichte der Organisation. Sie ist verantwortlich für mehr als 800 Kriegsgräberstätten in fast fünfzig Staaten mit 2,8 Millionen Kriegstoten. Und die Friedhöfe wachsen noch immer. Auch mehr als sieben Jahrzehnte nach 1945 vergeht kaum ein Tag, an dem nicht weitere Kriegstote entdeckt werden. Bei Wolgograd, im Hürtgenwald, in Kurland und manchmal auch noch auf griechischen Inseln. Auf Leros wurden vor einigen Jahren noch zwei Soldaten gefunden, vor einiger Zeit auch auf Rhodos. Oft führen Erdarbeiten zu den Funden. Der Bau eines Supermarktes oder einer Umgehungsstraße gerät so unversehens zu einer Reise in Europas blutige Vergangenheit.

Werden in Griechenland Überreste von Wehrmachtssoldaten gefunden, kommen sie zu Frau Epitropakis. Natalia Epitropakis ist Friedhofswärterin in Maleme. Da die Kriegsgräberstätte Dionyssos-Rapendoza bei Athen, der andere deutsche Soldatenfriedhof in Griechenland, mit fast 10000 Gebeinen ihre Aufnahmekapazität erreicht hat, werden alle jetzt noch gefundenen Gebeine bei ihr bestattet. Frau Epitropakis hat in eine Friedhofsfamilie eingeheiratet. Ihr Mann ist Gärtner an der Anlage wie es schon sein Vater war, sie kümmert sich um die Verwaltung. Die toten Deutschen sind ein Wirtschaftsfaktor in der Region. „Wir haben bis zu 70000 Besucher im Jahr“, schätzt Epitropakis. Für griechische Schulklassen sind Exkursionen zum Friedhof bei einem Besuch auf Kreta Teil des Standardprogramms. Auch Kreuzfahrtschiffe bieten ihren Passagieren Ausflüge zum deutschen Soldatenfriedhof an. Die Reiseagenturen haben das fest im Programm. „Wir haben hier Russen, Engländer, Deutsche und viele Skandinavier“, berichtet Frau Epitropakis. An manchen Tagen komme ein Reisebus nach dem anderen.

Das ist einer der Gründe, der Daniela Schily nach Kreta gebracht hat. Sie will die Aufmerksamkeit nutzen, um den Friedensgedanken zu forcieren, will den „Volksbund“ weiterentwickeln, seine Friedhöfe zu „Denkstätten“ wandeln. Nur ist das gar nicht so leicht. Der Volksbund muss sich neu erfinden, denn die Generation, die ihn einst trug, stirbt aus. Veteranen oder Kriegswitwen gibt es kaum noch. Selbst Kinder, die ihre Väter im Krieg verloren haben, kommen in die Jahre. Bald werden Friedhöfe mit Gefallenen des Zweiten Weltkriegs sein, was Kriegsgräberstätten des Ersten Weltkriegs schon sind: stumme Zeugen eines Grauens, von dem kein Lebender mehr berichten kann. Der Volksbund muss dann zeigen, dass er mehr kann als Friedhofswege harken. Als reine Grabpflegeorganisation hat er keine Zukunft.

Schon jetzt gehen Spenden und Nachlässe langsam zurück, staatliche Zuwendungen werden wichtiger. „Kriegsgräberstätten sind kulturelle Ressourcen unserer Gesellschaft. Sie sollten von Bildungsangeboten und Ausstellungen begleitet werden. Es reicht nicht, einfach nur Friedhöfe zu verwalten“, beschreibt Schily die Aufgabe. Das Volksbund-Motto „Arbeit für den Frieden – Versöhnung über den Gräbern“ müsse noch stärker betont werden, etwa durch einen Ausbau der Jugendarbeit oder Dauerausstellungen auf Soldatenfriedhöfen.

Deshalb hat Schily die Friedhofsverwalterin des Volksbunds auf Kreta aufgesucht, denn auch hier gibt es viel zu tun. In Maleme soll eine neue Ausstellung konzipiert werden, wie es auf anderen Kriegsgräberstätten schon geschehen ist. Zwar gibt es im Eingangsbereich des Friedhofs schon jetzt einige Schautafeln. Doch die Darstellung habe Mängel, findet Schily und nennt den Fall Bräuer als Beispiel. Dazu steht auf einer der Schautafeln in Maleme: „Unter den Toten ruht auch der ehemalige Oberkommandierende der deutschen Streitkräfte zwischen 1942 und 1944 für ganz Griechenland, General Bruno Bräuer. Er wurde nach Kriegsende von den Briten ausgeliefert und am 20. Mai 1947 nach einem Prozess in Griechenland hingerichtet.“ Warum Bräuer ausgeliefert und erschossen wurde, erfährt man nicht. War es am Ende nur Rache, gar Siegerjustiz? Dass Bräuer für Verbrechen wie die Deportation der kretischen Juden oder die Vernichtung kretischer Dörfer mitverantwortlich war, verschweigen die Schautafeln in Maleme.

Das ist ein Grundproblem vieler deutscher Soldatenfriedhöfe, auch in Maleme. In dem idyllischen Areal mit Mittelmeerblick, inmitten von Olivenhainen, Ölbäumen und Mittagsblumen, liegen Unschuldige neben Schuldigen. Da sind die Gebeine Tausender junger Männer, die gleich in den ersten Tagen oder Stunden der Invasion ums Leben kamen oder noch an ihren Fallschirmen schwebend erschossen wurden, bevor sie kretischen Boden erreichten. Sie waren Teil eines verbrecherischen Krieges, hatten aber gar keine Gelegenheit, persönlich zu Verbrechern zu werden. Neben ihnen liegen Männer wie Bräuer. „Man kann die Kriegsverbrecher nicht physisch ausbetten, aber man kann klar auf ihre Taten hinweisen – auch aus der Perspektive ihrer Opfer“, sagt Schily. Das sei nämlich ein anderer Mangel von Ausstellungen wie in Maleme: „Die Geschichte des Krieges wird nur aus deutscher Sicht erzählt. Opfer kommen nicht zu Wort.“

Daniela Schily möchte eine neue, multiperspektivische Ausstellung entwerfen lassen, und das keinesfalls als rein deutsche Initiative, sondern in Absprache mit den Anwohnern. Doch wie geht man dabei am besten vor? „Sie müssen auf jeden Fall den lokalen Bürgermeister ins Boot holen, er darf sich nicht übergangen fühlen“, rät Frau Epitropakis ihrer Chefin. Aber wäre der Bürgermeister für die Sache zu gewinnen? Und wessen Unterstützung bräuchte das Vorhaben noch? Nach Tagen voller Gespräche mit Anwohnern, Historikerinnen, Journalisten, Priestern und der jüdischen Gemeinde von Chania wird deutlich: Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg ist auf Kreta, martialisch gesprochen, immer noch ein Minenfeld. Man kann hier sehr viele falsche Schritte tun und kaum richtige. In fast jedem Gespräch muss Schily gegen Misstrauen ankämpfen: „Eine neue Ausstellung wollt ihr machen? Warum? Wollt ihr Deutschen eure Kriegstaten verherrlichen?“ Dass sie im Gegenteil deutsche Verbrechen stärker hervorheben will, muss Schily stets von neuem erklären.

Die kretische Historikerin Katerina Anagnostaki, mit der die Deutsche sich im Innenhof der Synagoge von Chania trifft, versteht zwar rasch, worum es geht, warnt aber: „Es ist fast unmöglich, dass die Idee hier in gutem Glauben akzeptiert wird. Gleichgültigkeit wäre vermutlich der beste Fall, mit dem zu rechnen ist.“ Der Friedhof der einstigen Besatzer beschäftige viele, schon seine Lage sei ein Politikum, sagt Anagnostaki, die ihre Dissertation zur deutschen Besatzungszeit auf Kreta schreibt. Der Friedhof liegt nicht zufällig am Hang der berüchtigten Höhe 107, deren Einnahme nach schweren Kämpfen im Mai 1941 entscheidend für den deutschen Sieg auf Kreta war. Die Gräberstätte ist also allein durch ihre geographische Positionierung eine Aussage: Hier ruhen die Toten des Siegers.

So war der Friedhof vom Volksbund zumindest ursprünglich wohl auch gedacht. Die ersten Pläne für das Gräberfeld aus den fünfziger Jahren taktlos zu nennen ist noch eine Untertreibung. Geplant war ein die gesamte Landschaft dominierendes Ehrenmal für die Gefallenen der Besatzungsmacht: „Weithin sichtbarer Mittelpunkt der Gesamtanlage ist jener Bauteil, der den Weiheraum birgt“, heißt es in einem Entwurf des Volksbunds – deutsches Heldengedenken in einem einst besetzten Land. Gebhard Seelos, der deutsche Botschafter in Athen, war alarmiert. Seelos, der in der NS-Zeit Kontakt zum Widerstand gegen Hitler unterhalten hatte, schrieb dem Volksbund im Oktober 1959 mit erstaunlicher Geduld, die Gestaltung von Kriegsgräbern im Ausland sei nun einmal vor allem eine politische Frage: „Denn das schönste und wirksamste Denkmal für die Toten nützt nichts, wenn es die Möglichkeit birgt, Erinnerungen, die man lieber vergessen möchte, wachzurufen und die Beziehungen unter den lebenden Völkern zu stören.“ Soldatenfriedhöfe dürften nicht als nationalistische Dokumentation in einem fremden Land wirken. Der Botschafter wies darauf hin, „dass es bei der Bevölkerung bittere Gedanken auslöst, wenn es einerseits in der Stadt Chania noch heute zahlreiche von dem Terrorangriff völlig zerstörte Häuser gibt und andererseits wenige Kilometer entfernt ein für die armen Kreter ziemlich aufwendiges Totenmal errichtet wird“.

Erst nach langen Debatten und Protesten auf Kreta verzichtete der Volksbund schließlich auf seine Toten-Walhalla auf Kreta. Das ist Jahrzehnte her, und wie die deutsche Gesellschaft hat sich auch der Volksbund seit den fünfziger Jahren stark gewandelt. Niemand käme dort noch auf die Idee, deutsche Totenburgen im Ausland zu bauen. Doch die Stimmung auf Kreta bleibt schwierig. Als Daniela Schily fragt, ob sich kretische Historiker für die Konzeption einer Friedhofs-Ausstellung gewinnen ließen, wirkt Katerina Anagnostaki skeptisch: „Man wird solche Historiker überreden müssen, dass es die Sache wert ist, sich all dem auszusetzen.“ Lokale Historiker, die mit „den Deutschen“ auf dem symbolbeladenen Friedhof arbeiteten, hätten nämlich mit scharfer Kritik zu rechnen. Auch sie selbst müsste sich, sollte sie zu einer Mitarbeit eingeladen werden, erst genau überlegen, was das für sie bedeuten könnte, sagt Frau Anagnostaki. „Außerdem ist es nicht hilfreich, dass immer noch deutsche Neonazis hierherkommen, um an den Gräbern ein Heldengedenken zu veranstalten“, fügt die Historikerin an, um mit einem freundlichen Blick auf Schily rasch einzuschränken: „Das ist natürlich nicht Ihre Schuld.“

Auch wegen solcher Vorfälle wolle sie doch eine neue Ausstellung konzipieren, antwortet Schily. Die Ausstellung, die sie im Sinn habe, werde bestimmt nicht anziehend auf Neonazis wirken, im Gegenteil. Anagnostaki nickt, sie versteht. Und sie hat einen Vorschlag: Wäre es nicht möglich, eine Ausstellung gemeinsam mit den Gegnern von damals zu konzipieren? Warum nicht mit dem britisch verwalteten Soldatenfriedhof der Alliierten kooperieren, der nur eine halbe Stunde von Maleme entfernt liegt? „Wenn es eine Möglichkeit gäbe, das Projekt mit dem britischen Friedhof zu verbinden, könnte das ein neues Narrativ ergeben. Indem man von Menschen erzählt, die auf Kreta begraben sind, aber nicht von hier stammen“, sagt Frau Anagnostaki.

Schily mag die Idee, aber ein neuseeländischer Filmemacher, der als Fachmann für die Geschichte des Weltkriegs auf Kreta gilt und zu der kleinen Gesprächsrunde in der Synagoge gestoßen ist, winkt ab. Die „Commonwealth War Graves Commission“, das Gegenstück zum Volksbund in Großbritannien, sei sehr konservativ. Er bezweifelt, dass man dort daran interessiert sei, die eigenen Toten auf eine Stufe mit den deutschen Toten zu stellen, und sei es nur in einer Ausstellung. Schily will das Gespräch dennoch suchen. Denn wo ließe sich die Bedeutung des Friedensprojekts Europa anschaulicher demonstrieren als an Orten, wo die schrecklichen Folgen des Gegenteils zu besichtigen sind?

Die Gräber der anderen

Auf Soldatenfriedhöfen in Griechenland liegen Tausende Deutsche. Sie lassen den Lebenden keine Ruhe. Von Michael Martens

Artikel der FAZ (Politik) vom 24. November 2019

Fiel der neunzehnjährige Gefreite Herbert Lais für sein Vaterland, als er an einem Julitag des Jahres 1943 auf Kreta ums Leben kam? Gab der Obergefreite Wilhelm Brockmann sein Leben für Großdeutschland, als er im Mai 1941 erschossen wurde, fünf Tage vor seinem zwanzigsten Geburtstag? Und der 17 Jahre junge Hans-Joachim Graf von Blücher, der nur mit einer Sondergenehmigung seiner Mutter bei den Fallschirmjägern aufgenommen worden war, bevor er auf Kreta nur Stunden nach Beginn der deutschen Invasion ebenso wie zwei seiner Brüder tödlich verwundet wurde – starb er einen Heldentod?

Am Eingang zur deutschen Kriegsgräberstätte in Maleme unweit von Chania, dem Hauptort der größten Insel Griechenlands, kann dieser Eindruck zumindest entstehen. Dort belehrt eine Gedenktafel die Besucher: „Auf dieser Gräberstätte ruhen 4465 deutsche Gefallene aus den Kriegsjahren 1941–1945. Von ihnen starben 3352 in der Schlacht um Kreta vom 20. Mai bis zum 1. Juni 1941 als Soldaten der Fallschirmtruppe, der Gebirgstruppe, der Kriegsmarine und der Luftwaffe. Sie gaben ihr Leben für ihr Vaterland.“ Die Tafel wurde 1984 angebracht, zehn Jahre nach der Eröffnung des Friedhofs. Nach vielen Beschwerden sah sich der „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge“, der alle im Ausland gelegenen Ruhestätten deutscher Kriegstoter betreut, fünf Jahre später zu einer Korrektur veranlasst. Ein Satz wurde hinzugefügt: „Ihr Tod soll uns immer Verpflichtung sein, den Frieden zwischen den Völkern zu bewahren.“ Heute also lautet die Botschaft, in den Zuschreibungen Überlebender jedenfalls: Erst starben viereinhalbtausend Männer für Deutschland, seither mahnen sie kollektiv zum Frieden.

Einige Kilometer vom Friedhof entfernt geht es noch martialischer zu: Auf einem mehrere Meter hohen Denkmal, das noch von der Wehrmacht errichtet und von den kretischen Behörden nie geschleift wurde, heißt es: „Euch Toten gehört der Dank, die ihr fern der Heimat getreu eurem Fahneneid das Leben gabet unserem Großdeutschland.“ Und in der Todesanzeige der verwitweten Gräfin Blücher von 1941 heißt es, ihre geliebten Söhne seien den Heldentod auf Kreta gestorben. Das war der Geist der Zeit.

Als Daniela Schily die Inschrift auf der Tafel des Friedhofs von Maleme liest, schüttelt sie den Kopf: „Diese Aussage spiegelt den Geist jener Zeit, aber sie war und ist vollkommen falsch. Wie kann man als Deutscher auf Kreta für sein Vaterland sterben?“ Was Schily von der Gedenktafel hält, ist schon deshalb nicht unwesentlich, weil sie seit vier Jahren Generalsekretärin des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge ist, als erste Frau in der hundertjährigen Geschichte der Organisation. Sie ist verantwortlich für mehr als 800 Kriegsgräberstätten in fast fünfzig Staaten mit 2,8 Millionen Kriegstoten. Und die Friedhöfe wachsen noch immer. Auch mehr als sieben Jahrzehnte nach 1945 vergeht kaum ein Tag, an dem nicht weitere Kriegstote entdeckt werden. Bei Wolgograd, im Hürtgenwald, in Kurland und manchmal auch noch auf griechischen Inseln. Auf Leros wurden vor einigen Jahren noch zwei Soldaten gefunden, vor einiger Zeit auch auf Rhodos. Oft führen Erdarbeiten zu den Funden. Der Bau eines Supermarktes oder einer Umgehungsstraße gerät so unversehens zu einer Reise in Europas blutige Vergangenheit.

Werden in Griechenland Überreste von Wehrmachtssoldaten gefunden, kommen sie zu Frau Epitropakis. Natalia Epitropakis ist Friedhofswärterin in Maleme. Da die Kriegsgräberstätte Dionyssos-Rapendoza bei Athen, der andere deutsche Soldatenfriedhof in Griechenland, mit fast 10000 Gebeinen ihre Aufnahmekapazität erreicht hat, werden alle jetzt noch gefundenen Gebeine bei ihr bestattet. Frau Epitropakis hat in eine Friedhofsfamilie eingeheiratet. Ihr Mann ist Gärtner an der Anlage wie es schon sein Vater war, sie kümmert sich um die Verwaltung. Die toten Deutschen sind ein Wirtschaftsfaktor in der Region. „Wir haben bis zu 70000 Besucher im Jahr“, schätzt Epitropakis. Für griechische Schulklassen sind Exkursionen zum Friedhof bei einem Besuch auf Kreta Teil des Standardprogramms. Auch Kreuzfahrtschiffe bieten ihren Passagieren Ausflüge zum deutschen Soldatenfriedhof an. Die Reiseagenturen haben das fest im Programm. „Wir haben hier Russen, Engländer, Deutsche und viele Skandinavier“, berichtet Frau Epitropakis. An manchen Tagen komme ein Reisebus nach dem anderen.

Das ist einer der Gründe, der Daniela Schily nach Kreta gebracht hat. Sie will die Aufmerksamkeit nutzen, um den Friedensgedanken zu forcieren, will den „Volksbund“ weiterentwickeln, seine Friedhöfe zu „Denkstätten“ wandeln. Nur ist das gar nicht so leicht. Der Volksbund muss sich neu erfinden, denn die Generation, die ihn einst trug, stirbt aus. Veteranen oder Kriegswitwen gibt es kaum noch. Selbst Kinder, die ihre Väter im Krieg verloren haben, kommen in die Jahre. Bald werden Friedhöfe mit Gefallenen des Zweiten Weltkriegs sein, was Kriegsgräberstätten des Ersten Weltkriegs schon sind: stumme Zeugen eines Grauens, von dem kein Lebender mehr berichten kann. Der Volksbund muss dann zeigen, dass er mehr kann als Friedhofswege harken. Als reine Grabpflegeorganisation hat er keine Zukunft.

Schon jetzt gehen Spenden und Nachlässe langsam zurück, staatliche Zuwendungen werden wichtiger. „Kriegsgräberstätten sind kulturelle Ressourcen unserer Gesellschaft. Sie sollten von Bildungsangeboten und Ausstellungen begleitet werden. Es reicht nicht, einfach nur Friedhöfe zu verwalten“, beschreibt Schily die Aufgabe. Das Volksbund-Motto „Arbeit für den Frieden – Versöhnung über den Gräbern“ müsse noch stärker betont werden, etwa durch einen Ausbau der Jugendarbeit oder Dauerausstellungen auf Soldatenfriedhöfen.

Deshalb hat Schily die Friedhofsverwalterin des Volksbunds auf Kreta aufgesucht, denn auch hier gibt es viel zu tun. In Maleme soll eine neue Ausstellung konzipiert werden, wie es auf anderen Kriegsgräberstätten schon geschehen ist. Zwar gibt es im Eingangsbereich des Friedhofs schon jetzt einige Schautafeln. Doch die Darstellung habe Mängel, findet Schily und nennt den Fall Bräuer als Beispiel. Dazu steht auf einer der Schautafeln in Maleme: „Unter den Toten ruht auch der ehemalige Oberkommandierende der deutschen Streitkräfte zwischen 1942 und 1944 für ganz Griechenland, General Bruno Bräuer. Er wurde nach Kriegsende von den Briten ausgeliefert und am 20. Mai 1947 nach einem Prozess in Griechenland hingerichtet.“ Warum Bräuer ausgeliefert und erschossen wurde, erfährt man nicht. War es am Ende nur Rache, gar Siegerjustiz? Dass Bräuer für Verbrechen wie die Deportation der kretischen Juden oder die Vernichtung kretischer Dörfer mitverantwortlich war, verschweigen die Schautafeln in Maleme.

Das ist ein Grundproblem vieler deutscher Soldatenfriedhöfe, auch in Maleme. In dem idyllischen Areal mit Mittelmeerblick, inmitten von Olivenhainen, Ölbäumen und Mittagsblumen, liegen Unschuldige neben Schuldigen. Da sind die Gebeine Tausender junger Männer, die gleich in den ersten Tagen oder Stunden der Invasion ums Leben kamen oder noch an ihren Fallschirmen schwebend erschossen wurden, bevor sie kretischen Boden erreichten. Sie waren Teil eines verbrecherischen Krieges, hatten aber gar keine Gelegenheit, persönlich zu Verbrechern zu werden. Neben ihnen liegen Männer wie Bräuer. „Man kann die Kriegsverbrecher nicht physisch ausbetten, aber man kann klar auf ihre Taten hinweisen – auch aus der Perspektive ihrer Opfer“, sagt Schily. Das sei nämlich ein anderer Mangel von Ausstellungen wie in Maleme: „Die Geschichte des Krieges wird nur aus deutscher Sicht erzählt. Opfer kommen nicht zu Wort.“

Daniela Schily möchte eine neue, multiperspektivische Ausstellung entwerfen lassen, und das keinesfalls als rein deutsche Initiative, sondern in Absprache mit den Anwohnern. Doch wie geht man dabei am besten vor? „Sie müssen auf jeden Fall den lokalen Bürgermeister ins Boot holen, er darf sich nicht übergangen fühlen“, rät Frau Epitropakis ihrer Chefin. Aber wäre der Bürgermeister für die Sache zu gewinnen? Und wessen Unterstützung bräuchte das Vorhaben noch? Nach Tagen voller Gespräche mit Anwohnern, Historikerinnen, Journalisten, Priestern und der jüdischen Gemeinde von Chania wird deutlich: Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg ist auf Kreta, martialisch gesprochen, immer noch ein Minenfeld. Man kann hier sehr viele falsche Schritte tun und kaum richtige. In fast jedem Gespräch muss Schily gegen Misstrauen ankämpfen: „Eine neue Ausstellung wollt ihr machen? Warum? Wollt ihr Deutschen eure Kriegstaten verherrlichen?“ Dass sie im Gegenteil deutsche Verbrechen stärker hervorheben will, muss Schily stets von neuem erklären.

Die kretische Historikerin Katerina Anagnostaki, mit der die Deutsche sich im Innenhof der Synagoge von Chania trifft, versteht zwar rasch, worum es geht, warnt aber: „Es ist fast unmöglich, dass die Idee hier in gutem Glauben akzeptiert wird. Gleichgültigkeit wäre vermutlich der beste Fall, mit dem zu rechnen ist.“ Der Friedhof der einstigen Besatzer beschäftige viele, schon seine Lage sei ein Politikum, sagt Anagnostaki, die ihre Dissertation zur deutschen Besatzungszeit auf Kreta schreibt. Der Friedhof liegt nicht zufällig am Hang der berüchtigten Höhe 107, deren Einnahme nach schweren Kämpfen im Mai 1941 entscheidend für den deutschen Sieg auf Kreta war. Die Gräberstätte ist also allein durch ihre geographische Positionierung eine Aussage: Hier ruhen die Toten des Siegers.

So war der Friedhof vom Volksbund zumindest ursprünglich wohl auch gedacht. Die ersten Pläne für das Gräberfeld aus den fünfziger Jahren taktlos zu nennen ist noch eine Untertreibung. Geplant war ein die gesamte Landschaft dominierendes Ehrenmal für die Gefallenen der Besatzungsmacht: „Weithin sichtbarer Mittelpunkt der Gesamtanlage ist jener Bauteil, der den Weiheraum birgt“, heißt es in einem Entwurf des Volksbunds – deutsches Heldengedenken in einem einst besetzten Land. Gebhard Seelos, der deutsche Botschafter in Athen, war alarmiert. Seelos, der in der NS-Zeit Kontakt zum Widerstand gegen Hitler unterhalten hatte, schrieb dem Volksbund im Oktober 1959 mit erstaunlicher Geduld, die Gestaltung von Kriegsgräbern im Ausland sei nun einmal vor allem eine politische Frage: „Denn das schönste und wirksamste Denkmal für die Toten nützt nichts, wenn es die Möglichkeit birgt, Erinnerungen, die man lieber vergessen möchte, wachzurufen und die Beziehungen unter den lebenden Völkern zu stören.“ Soldatenfriedhöfe dürften nicht als nationalistische Dokumentation in einem fremden Land wirken. Der Botschafter wies darauf hin, „dass es bei der Bevölkerung bittere Gedanken auslöst, wenn es einerseits in der Stadt Chania noch heute zahlreiche von dem Terrorangriff völlig zerstörte Häuser gibt und andererseits wenige Kilometer entfernt ein für die armen Kreter ziemlich aufwendiges Totenmal errichtet wird“.

Erst nach langen Debatten und Protesten auf Kreta verzichtete der Volksbund schließlich auf seine Toten-Walhalla auf Kreta. Das ist Jahrzehnte her, und wie die deutsche Gesellschaft hat sich auch der Volksbund seit den fünfziger Jahren stark gewandelt. Niemand käme dort noch auf die Idee, deutsche Totenburgen im Ausland zu bauen. Doch die Stimmung auf Kreta bleibt schwierig. Als Daniela Schily fragt, ob sich kretische Historiker für die Konzeption einer Friedhofs-Ausstellung gewinnen ließen, wirkt Katerina Anagnostaki skeptisch: „Man wird solche Historiker überreden müssen, dass es die Sache wert ist, sich all dem auszusetzen.“ Lokale Historiker, die mit „den Deutschen“ auf dem symbolbeladenen Friedhof arbeiteten, hätten nämlich mit scharfer Kritik zu rechnen. Auch sie selbst müsste sich, sollte sie zu einer Mitarbeit eingeladen werden, erst genau überlegen, was das für sie bedeuten könnte, sagt Frau Anagnostaki. „Außerdem ist es nicht hilfreich, dass immer noch deutsche Neonazis hierherkommen, um an den Gräbern ein Heldengedenken zu veranstalten“, fügt die Historikerin an, um mit einem freundlichen Blick auf Schily rasch einzuschränken: „Das ist natürlich nicht Ihre Schuld.“

Auch wegen solcher Vorfälle wolle sie doch eine neue Ausstellung konzipieren, antwortet Schily. Die Ausstellung, die sie im Sinn habe, werde bestimmt nicht anziehend auf Neonazis wirken, im Gegenteil. Anagnostaki nickt, sie versteht. Und sie hat einen Vorschlag: Wäre es nicht möglich, eine Ausstellung gemeinsam mit den Gegnern von damals zu konzipieren? Warum nicht mit dem britisch verwalteten Soldatenfriedhof der Alliierten kooperieren, der nur eine halbe Stunde von Maleme entfernt liegt? „Wenn es eine Möglichkeit gäbe, das Projekt mit dem britischen Friedhof zu verbinden, könnte das ein neues Narrativ ergeben. Indem man von Menschen erzählt, die auf Kreta begraben sind, aber nicht von hier stammen“, sagt Frau Anagnostaki.

Schily mag die Idee, aber ein neuseeländischer Filmemacher, der als Fachmann für die Geschichte des Weltkriegs auf Kreta gilt und zu der kleinen Gesprächsrunde in der Synagoge gestoßen ist, winkt ab. Die „Commonwealth War Graves Commission“, das Gegenstück zum Volksbund in Großbritannien, sei sehr konservativ. Er bezweifelt, dass man dort daran interessiert sei, die eigenen Toten auf eine Stufe mit den deutschen Toten zu stellen, und sei es nur in einer Ausstellung. Schily will das Gespräch dennoch suchen. Denn wo ließe sich die Bedeutung des Friedensprojekts Europa anschaulicher demonstrieren als an Orten, wo die schrecklichen Folgen des Gegenteils zu besichtigen sind?